Alles beginnt mit einer Idee
Ich weiß noch, wie Lydi sich den Caddy im Oktober 2021 gekauft hat und gesagt hat: “Ich baue den um und fahre dann damit nach Frankreich” und wie ich dann sagte “oh jaa cool da will ich mit”. Ab dann stand fest, dass Lydi und Nina gemeinsam nach Frankreich fahren werden. Lydi hat ihren Caddy komplett alleine umgebaut, ohne meine Hilfe. Nicht so, dass ich es nicht angeboten hätte, aber sie wollte „ihr Baby“ eigenständig umbauen. Um ehrlich zu sein, wüsste ich auch nicht, ob ich eine ernsthafte Hilfe beim Umbauen gewesen wäre. Im Mai sind wir dann beide relativ spontan aus der WG ausgezogen. Beide wieder nach Hause. Lydi nach Jena und ich nach Hannover. Aber der Plan stand trotzdem noch und ist Realität geworden. Wir sind gemeinsam durch Frankreich gedüst. Das nenne ich mal gelebte Manifestation.
Über Lydi und mich
Lydi ist meine ehemalige Mitbewohnerin. Sie und ich und 6 weitere wundervolle Menschen haben zusammen in einer WG gewohnt. Grüße gehen raus an dieser Stelle. Mein Herz hängt an dieser WG Zeit
Lydi war für fast 4 Jahre meine Zimmernachbarin. Wir haben Wand an Wand gewohnt. Ich sage immer, es gibt gute Freunde und es gibt Mitbewohner. Wer schon mal in einer WG gelebt hat, weiß, wovon ich spreche. Wenn man zusammen lebt, lernt man sich auf einer ganz anderen Ebene kenne, wenn man den Mut hat, sich ehrlich und aufrichtig zu begegnen (sonst lebt man nur aneinander vorbei, ist auch okay, wenn man das möchte). Ich meine, man teilt sich ein Bad, eine Küche, ein Kühlschrank. Irgendwann kennst du den anderen recht gut. Seine Eigenheiten, seine Gewohnheiten, seine Art, mit Herausforderungen umzugehen. Du weißt, wann dein Gegenüber gestresst ist und du lieber die Klappe halten solltest bzw. sie einfach mal fest in den Arm nehmen solltest. Du kennst die Techtelmechtel und machst einige Ups and Downs mit. Ich meine, man wohnt und lebt schließlich zusammen, da bleibt nicht so viel Platz für Geheimnisse. Also zumindest bei uns war das so. Es war die Art und Weise, wie wir uns für das Leben im Miteinander entschieden haben.
Auf dieser Reise waren Lydi und ich aber keine Mitbewohnerinnen mit zwei Zimmern, in die man sich zurückziehen konnte. Wir waren zwei Freundinnen auf dem Level von Mitbewohnerinnen, die sich auf dieser Reise nochmal ganz anders, quasi neu kennenlernen durften.
Unsere Reise
Wir hatten keinen Plan, bis auf, dass es nach Frankreich gehen soll und wann wir losfahren würden. Selbst das Rückreisedatum stand nicht fest, nur ein ungefährer Zeitraum. Noch nie in meinem Leben bin ich mit so wenig Plan in einen Urlaub gestartet. Zudem war ich in meinem Leben zuvor noch nie Campen oder ähnliches. Ich hatte also von der „Sorte“ Urlaub, wie wir ihn vorhatten, absolut keinen Schimmer. Unsere Freude hat uns dann letzendlich nach Bamberg, Aschaffenburg, Metz, Troyes, Verdome, La Rochelle, Bisscarrosse, Messanges, Vieux-Boucau, Hossegor, Capbreton, Biarritz, Montargis und Straßburg geführt. Wir haben uns treiben lassen und sind, wenn wir durch einen schönen Ort gefahren sind, einfach ausgestiegen, um uns umzuschauen.
Nach kurzer Eingewöhnungszeit “on the road” hatte jeder von uns „seine Aufgaben“. Ich war für Musik und Podcast zuständig während der Fahrten, für Ordnung im Caddy, für den Auf- und Abbau unseres Bettes sowie für das Aufbauen der Campingmöbel. Lydi ist dafür gefahren, hat Orte zum Übernachten herausgesucht und hat Essen gekocht. Lydi hat das unglaubliche Talent aus den einfachsten Zutaten ein wirklich richtig leckeres zu kochen.
Wir haben gemeinsam die schönsten Orte gesehen, die tollsten Sonnenauf und -untergänge beobachtet und wahnsinnig coole Menschen kennengelernt. Wir haben für den Caddy immer einen Stellplatz in der Natur gefunden und sind meistens am Meer oder mitten im Wald eingeschlafen und aufgewacht. Danke an die/denjenigen, die sich park4night ausgedacht haben. Unsere Rettung und Kompass für das nächste Übernachtungsziel. Jeden Abend haben wir aufs Neue überlegt, wo wir am nächsten Morgen hinfahren werden.
Wir haben tiefe Gespräche geführt, gelacht, Wein getrunken, Händchen gehalten, gekuschelt, Podcast gehört, philosophiert, diskutiert, reflektiert und rumgealbert. Die Gespräche gingen von Männer und Sex, über Zukunftspläne, -ängste und -sorgen, zu Familienthemen, Wüschen und Träumen. Es war alles dabei. Echt, authentisch, tiefgründig, liebevoll und ehrlich.
Wir hatten natürlich auch die ein oder andere Herausforderung zu meistern. Einmal mussten wir einem Franzosen irgendwie erklären, dass wir Starthilfe brauchen, weil die Autobatterie leer war. Wir haben uns mit Händen und Füßen verständigt und es hat am Ende immer funktioniert. Wir mussten uns mit wirklich miesen öffentlich Toiletten beschäftigen und die Option, mit Schippe in den Wald zu gehen in Erwägung ziehen.
Was habe ich gelernt:
- Reisen ist anstrengend. Hätte ich niemals gedacht, aber Tatsache! Immer auf Achse zu sein, strengt an. Wir haben nur ein einziges Mal zweimal am selben Ort geschlafen, sonst waren wir jeden Tag woanders. Und dieser eine Tag, den wir mal nicht gefahren sind, haben wir extrem durchgehangen (muss auch mal sein). Dafür haben wir in kurzer Zeit sehr viel gesehen und ich würde nichts davon missen wollen.
- Im Auto unterwegs sein, macht unabhängig und keinen Plan zu haben macht frei. Unser Lieblingslied, was wir rauf und runter gehört haben, passt hier an dieser Stelle ganz gut…. you were free since the day that you came, won’t you take over the world today, you can be anything that you want to be (Free von Jack and the Weatherman). Dieses Lied verbinde ich mit Frankreich, dem Caddy und unserem Vibe.
- Wenn man offen auf Menschen zugeht, macht man wirklich tolle Bekanntschaften. Wir haben ausschließlich herzliche und hilfsbereite Menschen getroffen.
- Man braucht viel weniger zum Leben als man denkt. Ich hatte nur ein Drittel an Sachen dabei, die ich sonst mit in den Urlaub nehme und von diesen einem Drittel habe ich weniger als die Hälfte überhaupt gebraucht. Wir waren so Basic unterwegs und es war absolut wurscht. Was war das wirklich wertvolle an dieser Reise? Die Tatsache, dass wir sie gemeinsam erleben durften und diese Zeit nun in unserer Erinnerung immer miteinander teilen.
- Gute Freundschaften erleichtern das Leben. Ich musste mir die Gedanken machen, ob Lydi und ich zurechtkommen werden, weil das Vertrauen da war und wir offen miteinander gesprochen haben. Gab es etwas zu klären, haben wir darüber gesprochen. Zack, aus der Welt geschaffen. Gute, offene, ehrliche Kommunikation ist der Schlüssel für ein gutes Miteinander. Mir ist durch diese Zeit auch bewusst geworden, was für schlechte Freundschaften ich früher hatte und was für eine Qualität meine Freundschaften heute haben.
- Natur entschleunigt. Zeit hat nur selten eine Rolle gespielt. Der Morgen hat eine ganz andere Qualität, wenn du von der Sonne geweckt wirst, aufstehst und um dich herum nur Natur ist.
- Reisen ist eine Bereicherung und man wächst über sich hinaus. Dadurch, dass wir die meiste Zeit auf uns gestellt waren, mussten wir mit dem, was wir hatten und wissen zu Recht kommen. Bei Herausforderungen hieß es also zusammenhalten, nachdenken, kreativ werden und nicht die Nerven verlieren.
Lydi ich danke dir, dass du die 1,20 m Matratze mit mir teilen wolltest, dass du deinen Caddy so schön für uns umgebaut hast, dass du die ganze Zeit gefahren bist, dass du so lecker für uns gekocht hast, dass du mich so umsorgt hast, dass du so bist wie du bist und dass dein Caddy für diese zwei Wochen unser Zuhause war.
Danke Lydi, dass ich diese Erfahrung mit dir machen durfte.